Eine Fliege hat ein 4-Sekunden-Gedächtnis. Deswegen fliegt sie auch immer und immer wieder gegen die Fensterscheibe. Sie kann sich, während sie ihren Bogen dreht um hinauszufliegen, schon gar nicht mehr erinnern, dass sie kurz vorher schon einmal vergeblich gegen dieselbe Scheibe geflogen ist. Für einen Menschen mit unsichtbarer Erkrankung ist es so, als wäre man sein ganzes Leben von Fliegen umgeben, von Menschen, die alle 4 Sekunden vergessen, dass man krank ist.
Mein besonderer Favorit der Best-Of-Sprüche, die man nie zu jemandem sagen sollte, der eine unsichtbare Erkrankung hat, lautet: „Echt? Man, das hätte ich aber nicht gedacht. Du siehst doch total fit aus.“ In solchen Momenten würde ich gern lachen und rufen: „Haha, reingefallen. War nur ein Scherz!“ Ist. Es. Aber. Nicht. Ich bin unheilbar krank und habe eine unsichtbare chronische Erkrankung. Eigentlich wissen meine Freunde das, aber ihnen das Ausmaß meiner Einschränkungen im Alltag klarzumachen, ist schwer.
Wenn ich ein gebrochenes Bein hätte und meine Beeinträchtigung sichtbar wäre, würden viele Situationen in meinem Leben anders verlaufen. Man wüsste, womit man es zu tun hätte und könnte sich darauf einstellen. Etwas Unsichtbares ist jedoch unberechenbar und somit für viele auch nicht nachvollziehbar. Sie verstehen nicht, dass ich genauso gesund aussehe wie sie, es aber nicht bin. Dass ich kurz vor einer Verabredung absagen muss oder dass ich nicht unsportlich bin, sondern einfach keine Kraft habe. In meinem letzten Krankheitsschub hat man mir ständig gesagt, wie gut ich aussähe, weil ich über 10 Kilo abgenommen hatte – gefühlt habe ich mich jedoch wie ausgekotzt.
Es ist ermüdend, sich immer wieder zu erklären, sich immer wieder zu rechtfertigen und immer wieder die gleichen Sprüche über sich ergehen zu lassen. Seit 9 Jahren. Die Schmerzen, die Erschöpfung, die Arzttermine, aber auch positive Erfahrungen in der Selbsthilfe und neue Türen, die mir dadurch geöffnet wurden – sie alle stehen in Verbindung mit meiner Erkrankung und machen einen großen Teil meines Lebens aus. Meine Erkrankung ist vielleicht unsichtbar, aber ich bin es nicht.
Autor*in: Alltagsheldin
Ich melde mich hier als Alltagsheldin stellvertretend für alle anderen Alltagshelden und Alltagsheldinnen zu Wort, die ebenfalls mit einer unsichtbaren chronischen Erkrankung leben.
Liebe Alltagsheldin!
Du bist nicht unsichtbar :D! Und was du fühlst und sagst ist wichtig. Immer und immer wieder sich erklären zu müssen kennen glaube ich alle von uns – sogar wenn mans sieht!
Wenn jemand die eigene Lage nicht kennt ist es sau schwer das Ganze zu erklären und wie du sagst ermüdend.
Das Beispiel mit den Fliegen hat mich zum Schmunzeln gebracht.
Die letzten Zeilen haben mich gefreut, dass du auch neue Türen gefunden hast!
Wir kämpfen uns durchs Leben mutig mit unseren besonderen Herausforderungen. Da kommen wir mit ein paar Fliegen auch noch klar-auch wenn es ohne sie ein bisschen weniger nervig wäre.
Ich wünsche dir alles Gute und freue mich auf weitere Beiträge!
Liebe Grüße
Hallo liebe Alltagsheldin,
Die Situation kenne ich auch, dass man sich ständig erklären muss. Aber wir sind stärker, als wir manchmal glauben.
Fühl dich gedrückt.
Deine Rainbow