Stell dir vor, du bist chronisch krank. Dein Leben ist nicht so einfach, wie das vieler deiner Mitmenschen, aber du hast durch deinen Weg, deine Geschichte, viele Erfahrungen – gute, wie schlechte – machen könnten. Genau diese Erfahrungen machen dich zu dem Menschen, der du heute bist. Würdest du dann gerne so sein wie früher – im Idealfall gesund – wenn dies zugleich bedeutet, dass du all diese Erfahrungen nicht gemacht hättest und du folglich ein ganz anderer Typ Mensch geworden wärst? Mit vollkommen anderen Werten? Einem anderen, vielleicht viel instabileren, sozialen Umfeld?

Ich kann diese Frage für mich mit einem klaren ‚Nein‘ beantworten.
Natürlich wäre es wünschenswert gesund zu sein und so manche schlechte Erfahrungen nicht gemacht zu haben. Doch wer wäre ich dann heute?
Vielleicht wäre ich dann ein Mitläufer geworden. Jemand, der seine Meinung nicht oder nur zaghaft vertritt und sich nicht klar positionieren kann oder möchte. Denn, wenn ich überlege, was ich für ein unsicherer Mensch war, bevor meine Krankheit einen so schweren Verlauf nahm; wie leicht ich mich beeinflussen ließ und wie ich mich anderen untergeordnet habe… Nein danke!
Ich glaube tatsächlich, dass gerade dieser steinige Weg  mich zu dem Menschen gemacht hat, der ich heute bin und ich nur dadurch ‚besondere‘ Stärken entwickelt habe. Ich bin eher der Typ Mensch geworden, der gerne gegen den Strom schwimmt, weil er sich mit Oberflächlichkeiten nicht zufrieden stellt und seinen eigenen Weg geht. Dessen Weg nicht in Stein gemeißelt ist, sondern immer wieder Abfahrten und Umwege bietet, die das Leben weniger berechenbar machen. Durch die spontanen Einfälle meines Lebens, habe ich einen recht offenen und flexiblen Umgang mit unerwarteten oder unerwünschten Veränderungen gefunden.
Ebenfalls, wenn ich an mein altes soziales Umfeld zurück denke, bin ich froh, dass sich dieses durch meine Krankheit und den Entwicklungsprozess veränderte. Früher erfuhr ich viel sozialen Druck von außen: Ein fester Freund, Party und Saufen sowie diverse materielle Dinge waren für viele Statussymbole. Viele definierten sich darüber. Ich nicht. Es führte zu Druck. Freundschaften waren eher oberflächlich. Wirkliche Unterstützung gab es kaum. Heute habe ich ein stark stützendes und verdammt offenes soziales Umfeld. Man wird so genommen, wie man ist, und unterstützt sich gegenseitig. Ich bin nicht mehr allein!
Kurzum bin ich einfach froh, von meinen Erfahrungen geprägt worden zu sein und dadurch viele positive Entwicklungen durchlebt zu haben.

Autor*in: Dickdarmlos

Tabus sind ein Teil unserer Gesellschaft. Verdauungsorgane, insbesondere der Darm, und die Menstruation sind immer noch Tabuthemen. Es gilt als ekelig oder unrein. Man möchte nicht darüber sprechen und erstrecht nichts darüber hören. Doch was ist, wenn du mit einer Genmutation auf die Welt kommst, der Darm früher oder später in den Mittelpunkt deines Lebens rückt, und das Leben dir obendrauf noch eine gynäkologische Erkrankung schenkt? Hier beim Lebensmutig Blog berichte ich über mein Leben mit Familiärer Adenomatöser Polyposis (FAP), Endometriose und den psychischen Folgen.

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